Morice Lipsi - Lebenslauf

Der junge Moryce Lipchytz war kaum 14 Jahre alt, als er 1912 seine Heimatstadt  Lodz im von den Kosaken besetzten Polen verließ, um in Paris seinen ältesten Bruder Samuel aufzusuchen, welcher sich dort niedergelassen hatte und als Elfenbeinschnitzer wirkte. Bei ihm lernte er „das Werkzeug zu halten“ und erwarb gründliche technischen Kenntnisse und den fachmännischen Umgang mit den verschiedensten Materialien, nicht nur Elfenbein, welches er anfänglich vor allem zum Broterwerb bearbeitete, sondern auch die verschiedenen Gesteinsarten sowie Holz und das modellieren in Ton und Zement. Dies alles spielte sich in „La Ruche“ ab, jener kosmopolitischen Künstlergemeinde in Montparnasse. Unter seinen Nachbarn befanden sich Chagall, Zadkine, Soutine, Modigliani, Archipenko sowie auch Jacques Lipchitz. Um mit diesem gleichnamigen Künstler nicht verwechselt zu werden, welcher fünf Jahre vor ihm in „La Ruche“ eingetroffen war, nahm Morice 1929 den Namen LIPSI an. 1930 heiratet Lipsi eine junge Schweizer Künstlerin aus Zürich, Hildegard Weber. Das junge Paar richtet sich in einem alten Bauernhof in Chevilly-Larue (südliche Banlieue von Paris) ein, wo Lipsi sein Atelier bis zu seinem Tod 1986 hat. Ab 1931 arbeitet Lipsi vorzugsweise als Steinbildhauer. Er arbeitet als Einzelgänger abseits der Schulen und Strömungen seiner Zeit. Wenn er Stein, Holz oder Elfenbein bearbeitet scheint er stets fasziniert von der Schönheit des rohen Blocks, der sich ihm anbietet. Er führt seine Hand mit Respekt und der nötigen Liebe, wenn nötig bietet er dem Material aber auch mit Entschiedenheit die Stirne; es geht darum, den Wesen und den Dingen Leben einzuflössen mittels Licht….

Eine wichtige Etappe von Lipsis künstlerischer Reife fällt zusammen mit der tragischen Periode des letzten Krieges. Lipsi (jüdischen Ursprungs) nahm 1940 die Wege des Exodus. Vorerst fand er Asyl in Abzac (Charente). Nach seiner Ankunft führte er trotz aller Schwierigkeiten unverzüglich seine künstlerische Arbeit weiter mit Aufträgen des Bürgermeisters: „Hirte umgeben von seinen Schafen“, gefolgt von Aufträgen des Priesters: „Jungfrau mit Kind“ für die romanischen Kirche von Briac, gefolgt von „Zwei musizierende Engel“ (Kirche von Adriers). Später führte ihn die gefährliche Flucht vor hitlerscher Bedrohung weiter und schließlich landete er, nach riskanten Zwischenhalten in der Provence und in Savoyen, in Genf. Am Tag des Waffenstillstands kehrt er nach Paris zurück. Seine Masken aus Gips drücken die durchlebten Konflikte aus. Sein Bruder Samuel war in Auschwitz umgekommen.

Seit 1921 stellt Lipsi regelmäßig in Paris und auch im Ausland aus und nimmt an den großen Salons teil. Ab den Sechzigerjahren steht Lipsi der Abteilung Skulptur des Salon des réalités nouvelles vor. Seit 1960 nimmt Lipsi’s Arbeit einen wichtigen Platz in monumentaler Bildhauerei ein. Seine Skulpturen finden Eingang in das kollektive Gedenken, so die berühmte olympische Säule (1967) in Grenoble, ein Granit von 12 Metern, aber auch in Tokio, Tel Aviv, New York, Mannheim – nicht zu vergessen das Staatsgeschenk von Präsident Mitterrand von 1983 an Reykjavik in Form einer Skulptur aus Lavastein von Lipsi um „…mit Ihrem Talent zur kulturellen Ausstrahlung Frankreichs beizutragen“ (Jack Lang).

Sein Werk findet sich heute in zahlreichen Museen und in privaten Sammlungen und dank besonderer Umstände hat die Haute Saône vorläufig das Glück, die umfangreiche Sammlung der Erben von Lipsi zu beherbergen, das Museum Morice Lipsi in Rosey (www.musee-lipsi.com). 1990 unter dem Patronat von Jack Lang eingeweiht, beherbergen dieses Museum und sein bezaubernder Skulpturenpark eine unglaubliche Sammlung von Bildhauereien und Zeichnungen aus dem Nachlass des Ateliers von Morice Lipsi. Dieses Museum bietet dem Besucher eine wichtige Seite aus der bildhauerischen Geschichte Frankreichs..

Lipsi à La Ruche